3 · Deklaration
Azur war noch völlig benommen. Würde er sich nicht langsam wieder in der Realität wiederfinden, in der er bereits im Staub kniete, wäre er sicher sofort zu Boden getaumelt.
Er presste mit verzerrtem Gesicht immer wieder die Augenlider fest zusammen. Die Sicht erlangte er so wieder, das verbliebene Stechen in den Windungen seines Hirns konnte er jedoch nicht loswerden.
Er fühlte sich ausgesaugt, schwach und unnatürlich schwer.
Als er den ersten kümmerlichen Versuch unternahm, aufzustehen und den Kopf in Richtung Licentia zu heben, gaben seine Beine sofort zitternd unter ihm nach. Auch war ihm mit einem Griff an seinen Hals schlagartig klar, was ihn belastete. Ihm wurde ein kiloschweres, stählernes Halsband verpasst, das mittels einer der monströsen Ketten an den eisernen Thron geschmiedet worden war.
Der zweite Aufstehversuch klappte bereits besser. Wenn auch wackelig, stand er wieder und sein Blick fand auch das falsche Grün sofort, das über dem zufriedenen weißen Lächeln zwischen den Schwarzen Haarsträhnen hervorblitzte.
»Spuria Haeretica!«, krächzte seine staubtrockene Kehle.
Licentia warf ihm mit amüsierter Miene Amors Flachmann zu.
Azur bekam ihn schwankend nicht zu fassen und musste ihn angestrengt vom Fußboden fischen – ohne erneut zu stürzen.
Er nahm einen winzigen Schluck, der sofort seinen Hals freibrannte und ihm ein unwillkürliches Schütteln aufzwang. Sein Gaumen zog sich angewidert zusammen und er musste einen leichten Würgereiz unterdrücken, doch jetzt war er zumindest wieder voll da.
»Und? Ich hoffe dein Trip war so aufschlussreich, wie du es dir erhofft hattest. Nun kennst du die Wahrheit und ich habe meinen Teil der Abmachung ebenfalls eingehalten.«
»Mehr als du glaubst ...«
»Was flüsterst du da?«
»Ich weiß, was meine Mutter getan hat. Jetzt verstehe ich auch, warum du meintest, mein Bruder hätte versagt. Und ich weiß auch, wessen Kern wir in uns tragen und was du vorhast! Weißt du eigentlich, dass du dich damit selbst zum Tode verurteilt hast? Du hast deine Bestimmung verraten und wirst deinen eigenen Kern damit verlieren. Jetzt wirst du hier ausgelöscht. Wie wir alle. Dabei hättest du uns allen helfen können!«
»Ach, du armer kleiner Tropf. Meinst du die Lux? Die Säuberung?
Du begreifst anscheinend doch noch nicht alles.« Beiläufig spielte sie mit der schwarzen Kralle eines Exsecutors.
Er musste nicht erst in seiner Manteltasche nachsehen, um zu wissen, dass es sich um die handelte, die er selbst abgetrennt hatte. Die von Tessa abgefeilte Seite erkannte er sofort.
»Was begreife ich nicht? Du hast die Dra'ák verraten und den Kern gestohlen. Sie haben dich hier als Köder benutzt, um mich, meinen Bruder oder uns beide herzulocken, um den Fehler wieder zu beheben, den du gemacht hast. Meine Mutter hat deinen tollen Plan zerstört und du darfst dafür seit zwanzig Jahren hier auf deinen Tod warten. Für mich klingt das alles ziemlich plausibel ... und zwar nach: ziemlich schiefgegangen!«
»Du glaubst, die Dra'ák hätten mich hier angekettet?« Sie ließ den Kopf in den Nacken fallen und lachte herzhaft die Gewölbedecke an. »Herrlich! Du amüsierst mich, Kleiner. Auf meinen Tod warten ...? Oh ja, mein Lieber, ich warte hier schon lange, aber gewiss nicht auf meinen Tod!« Das falsche Smaragdfunkeln stach Azur durch die Augen tief in ihn hinein und gesellte sich gemütlich zu den pochenden Kopfschmerzen. »Ich habe bereits einen besseren Deal für uns ausgehandelt. Und dieser wird für uns nicht den Tod bereithalten, sondern vielmehr das ewige Leben. Ein Leben unter wahren Göttern! Ich habe es satt, immer nur die Drecksarbeit zu machen. Ich ... Wir hassen es, an diese niederen Körper gefesselt zu sein! Nicht wahr, meine Süße?« Sie kraulte Neko verführerisch das Haar hinters Ohr. »Es wird Zeit für uns, in andere Sphären aufzusteigen.«
»Was redest du da? Was heißt ›uns‹? Und was hast du mit den beiden gemacht?!«
»Nicht, mit den beiden ... mit euch dreien. Spürst du es nicht? Und ›uns‹ bedeutet, dass du und mein Schwesterherz mich begleiten werdet. In ein neues Leben.«
Mit erhöhtem Pulsschlag spürte Azur nun, was sie meinte. Die Kette um seinen Hals entzog ihm allmählich sämtliche Energie.
Auch Amor und Neko trugen jetzt diese schweren Eisen um das Genick. Die Haare des Großen waren fast schneeweiß; das Flammenkind rührte sich nicht – atmete aber flach.
Wie eine augenblickliche Bestätigung vibrierten die Ketten leicht und Azur verlor erneut das Gleichgewicht; landete auf seinen vier Buchstaben. Als er sich schmerzend den Nacken reiben wollte, fiel sein Augenmerk kurz unter die Ziegeldecke. Genau genommen auf die kleine Katze, die ihn von dort oben mit leuchtend fragendem Blick anstarrte. Sie gab ein eigenartiges, schwaches »Hraff« von sich. Mit der Pfote schien sie ein großes, eckiges Objekt an den Rand des Holzbalkens auf dem sie saß zu bugsieren. Blitzartig zuckten ihm die letzten Bildfetzen aus seiner Vision und Genesis' Worte wieder durch den Verstand.
– Omas Rufus, Mr. Eichhörnchen, Freund Steinkautz ... und die Raben. ›Wenn ich wetten müsste ... sie dir bereits folgen ... geholfen haben ...‹
Hatte Genesis das gemeint? Folgten ihm die Viatores bereits seit seiner Geburt? –
»Hey, Schwächling ... ohnmächtig geworden? Du musst ja nicht mehr lange warten. Bald sind sie da. Dann wird alles besser.«
»Du willst uns alle töten, richtig? Was hat das für einen Sinn, wenn doch die Lux in Kürze eh alles wieder neustarten?! Wir sollten lieber zusehen, dass wir hier gemeinsam abhauen, solange es noch geht. Zusammen finden wir einen Weg. Tu es für deine kleine Schwester! Sie will nicht sterben! Sie wollte nur zu dir, weil sie dich liebt; dir vertraut hat; dachte, dass du uns oder zumindest ihr helfen würdest. Willst du ihr das wirklich antun?«
Licentias Miene verfinsterte sich gewaltig. Und die Stimme mit der sie ihn jetzt anzischte, klang alles andere als sanftmütig.
»Willst du mich eigentlich verarschen?! Ich habe hier zwanzig Jahre ausgeharrt, habe all meine Kraft für euch geopfert, damit wir eine Zukunft haben und du stellst dich jetzt so dumm an?
Wir werden nicht fliehen! Wir werden hier auf die Lux warten! Was meinst du, mit wem ich diesen Deal abgeschlossen habe? Die kleine Waffe hier,« – sie tätschelte unsanft Nekos Wange –, »gegen die Göttlichkeit. Du denkst, mein Plan sei gescheitert? Pah! Er hat sich lediglich um mickrige zwei Jahrzehnte verzögert, weil deine dumme Mutter sich nicht beherrschen konnte. Diese Gefühlsduselei von euch zurückgebliebenen Menschen ... Aber keine Angst, ich werde dich und deinen Bruder schon noch einiges lehren, wenn ich euch erst wieder vereint habe. Ihr bekommt zusammeneinen Körper der Lux, genau wie sie und ich. Sie werden schon bald geboren sein, müssen dann nur noch von uns gefüllt werden. Du wirst der erste Mensch sein, dem die Ehre zuteilwird, durch die wahren Götter des Lichts gleich mehrere Evolutionsstufen überspringen zu dürfen. Ohne mich wäre die Kleine hier längst von unserem abtrünnigen
Dra'ák-Herrn gekillt worden! Und du, undankbarer Wurm, wärst ohne meinen Einfluss gar nicht erst geboren worden! Schwöre deinen falschen Göttern ab und unterwirf dich den Lux! Du bist doch nicht so stupide und begreifst nicht, wann es Zeit ist, auf die Seite der Sieger zu wechseln, oder? Du bist doch ein cleveres Kerlchen!«
»Du hast mich benutzt und belogen, du falsche Schlange! Ich habe deiner Schwester geschworen, ihr zu helfen und mich für das Schicksal Azur entschieden. Ich werde mich von dir, Neko gegenüber, nicht als Verräter hinstellen lassen! Und mich auch nicht unterwerfen! Kiro hätte es vielleicht getan ... aber der Zug ist abgefahren! Spätestens Genesis hat mich davon überzeugt. Und jetzt lass sie los, sonst ...«
»Du, du hast mit Genesis geredet? Du lügst hier! Ich habe dich nie belogen. Und wage es nicht, mir zu drohen! Ich habe dir gesagt, dass Serva als Serva hier auf diesem Planeten sterben muss und du hast sie mir für die Wahrheit verkauft! Ist es nicht so?
Nur wenn sie mit dem Rest des Staubs in der Serva-Hülle hier stirbt, haben sie die Möglichkeit, den Herrn aufzuspüren und das Persönlichkeitsdurcheinander wieder zu entwirren, das er angerichtet hat. Sollen sie die Neko ruhig bekommen. Aber meine Serva wird dann endlich wieder nur Serva sein. Einzig und allein mit ihrem wahren kleinen Servalein-Kernchen. Den Shiva-Kern hat der Herr ja freundlicherweise schon aus ihr entfernt, bevor er sie freigelassen hat. Trotzdem! Dieser verdammte Betrüger! Wer weiß, was er jetzt damit anstellt? Egal. Er wird das Problem der Lux sein. Aber sie wird sterben! Und zwar hier und jetzt! Mit mir zusammen! Und du wirst uns begleiten!
Um dir vielleicht noch einen kleinen Anreiz zu geben, zu gehorchen ... Wenn du wirklich mit Genesis gesprochen haben solltest, was ich für völlig unmöglich halte, dann scheint er eines zur Abwechslung mal nicht zu wissen. Hat er dir gesagt, du würdest sein Nachfolger in diesen Welten sein, ja? Wie nach jeder Säuberung seit jeher einfach seinen Job übernehmen? Versuch doch mal Welten aus dem reinen Nichts zu erschaffen!
Säuberung? Dass ich nicht lache! Mit der Möglichkeit, die ich ihnen aufgezeigt habe, werden keine Weltenexperimente mehr nötig sein!
Sie kommen diesmal nicht zur Säuberung; kein Neustart der Welten ... Sie kommen, um ein für alle Mal zu bereinigen!
Was meinst du, was so ein kümmerlicher Planet; so eine fehlerhafte Lebensform wie ihr eigentlich seid? Ihr seid misslungene Versuche!
Ihr seid der letzte Beweis ihrer Fehlbarkeit, die man ihnen nachsagen könnte. Ein wahrer Gott muss nicht unfehlbar sein, er muss nur die Macht besitzen, seine eigene Fehlbarkeit zu vernichten; sich selbst alles Kranke und Imperfekte aus dem Leib seiner Schöpfung zu schneiden; Schwäche und ungewollte Nebenwirkungen auszumerzen; jeden noch so kleinen Krankheitserreger in seinem heiligen Organismus Universum im Keim zu ersticken!
Sie schicken diesmal nicht die bereits hörigen Imperatoren der Dra'ák, die mit ihren Boten und Hybriden, wie wir es sind, Feuerstürme entfachen oder eine gewaltige Flut. Auch kommen diesmal keine Legionen, die, einer Heuschreckenplage gleich, ganz persönlich das Abschlachten von ganzen Zivilisationen übernehmen – nein ...
Die Seraphim selbst wurden auf die Welten losgelassen!
Hübsch anzusehen, aber auch das Letzte, was man sieht, wenn man das Pech hat, auf einem Planeten zu stehen, den sie fressen werden!«
Azur hatte keine Zeit, das alles sofort zu verdauen. Die Spitze des organischen, schwarzen Dolches hatte sich während ihrer Tirade bereits der Kehle des Flammenkindes genähert. »Sie wird es tun!«, begriff er, als ein schwaches Schlucken Nekos Adamsapfel an die Spitze der Klinge drückte und der erste Tropfen Blut ihren schutzlosen Hals hinunterrann.
Der Zeitpunkt, zu handeln, war gekommen.
In Bruchteilen einer Sekunde hörte Azur das eigene Blut in seinen Ohren rauschen. Die rote Melodie untermalte die Bilder, die ihm sein inneres drittes Auge, das er von Mal zu Mal bewusster nutzte, zeigte.
Und er erkannte die Ordnung darin schnell.
Wie Genesis meinte: ›Die Möglichkeiten im Chaos erkennen und nutzen.‹ Und das Chaos begann mit wenigen Worten:
»Der Tod ist der Schatten des Wanderers ...«
»Was sagst du da?« Die Dolchspitze schwächelte einen Zentimeter herab.
»Mors est umbra viatoris!«
Ein lautes Fauchen vom oberen Ende der Guillotine war die vom Schlichter bereits erwartete Antwort.
Der giftgrüne Blick wurde für einen Moment nach oben gelenkt.
Azur griff sofort nach der Kette und versetzte sie mit einem schnellen Ruck in eine Wellenbewegung. Deren Ende, das unter Licentias Arm verschwand, schlug ihr mit Wucht die Waffe aus der Hand. Ein schneller Griff in die Tasche und Chronos' Notizbüchlein flog zielsicher dem weggetretenen Amor an den Kopf. »STEH EINFACH AUF! JETZT!«, brüllte er ihn an. Gleichzeitig sprintete er im Halbkreis um den Thron. Die Kette um seinen Hals dabei stramm gespannt, nahm er Licentia somit die Bewegungsfreiheit. Jetzt stand er genau vor dem Fallbeil des Hinrichtungsinstruments, von dem die nachtgraue Katze nun den Gegenstand schob, den Azur vorhin in der Dunkelheit hoffentlich richtig erkannte. Während das Ding herunterfiel, stand Amor auf, wie ihm befohlen. Er stolperte wie vorhergesehen über seine eigene Kette, die unter Neko hindurchverlief. Wie erhofft, rollte diese nun vom Schoß ihrer Schwester auf den Boden. Alle drei Ketten überkreuzten sich jetzt genau über Licentias Hals. Azur fing das Buch auf, welches mit ihnen durch das Portal gefallen war. – Wie es die Katze dort hoch bekam, spielte angesichts der prekären Lage jetzt die geringste Rolle. –
Er fing die alte Bibel mit der freien Hand hinter dem Rücken,
die andere half, die Kette gespannt zu halten. Während die grünäugige Ketzerin mit dem Armstumpf nach Azurs Kette schlug, wild kreischte und mit den Fingern versuchte, Nekos Haare zu greifen, entflammte hinter dem Rücken des Schöpferkern-Trägers ein azurblaues Feuer.
In dem Augenblick, als der vierbeinige Helfer in die Dreadlocks herabsprang und somit deren Besitzer den Kopf nach hinten riss, wuchtete Azur die erschaffene Streitaxt mit Schwung herum und feuerte sie, nur knapp an Amors Stirn vorbei, auf den Kreuzungspunkt der drei Ketten. Der wuchtige Einschlag in die Rückenlehne des Throns durchtrennte glatt alle Kettenglieder.
Die Axt hatte den Kopf der Häretikerin nur gestreift, aber eine klaffende Wunde an deren Wange bedeckte die rechte Hälfte ihres nackten Oberkörpers schnell mit rotschwarzem Blut.
Die Scharfe Klinge hatte ihr auch die langen Haare dieser Seite glatt abrasiert und ihr dort den schützenden Vorhang genommen, sodass Azur, kurz bevor die dunkelrote warme Decke ihre rechte Brust umfloss, noch einen flüchtigen Blick auf sie erhaschen konnte.
An deren Innenseite grinste ihn ein kleiner Totenschädel an – ein Muttermal, das sich schnell hinter der dunklen Flüssigkeit versteckte.
Um die sich legende Verwirrung jedoch noch voll auszunutzen, zog der nicht ganz so zielgenaue Axtwerfer die langsam wieder zu sich kommende Neko vom Thron weg und lehnte sie an den nächsten Pfeiler. Amor stand bereits wieder. Genau zwischen den Zweien und seiner Liz.
»Wie kannst du es ...! WIE KANNST DU ES WAGEN! Gib sie mir ... GIB SIE MIR SOFORT ZURÜCK!«, tobte das blutende Wesen und hielt sich die Wange. Sie betrachtete mit aufgerissenen Augen ihre nassen Finger. »AMOR! ... Amor, Schatz? Tust du deiner hübschen Liz einen kleinen Gefallen ...?«, fuhr sie mit ruhiger, aber hörbar hassgetränkter Stimme fort. »Nur einen klitzekleinen ... UND ERSCHIEß DIE BEIDEN! Für mich ... Machst du das, mein Liebster?«
Der Liebste wankte, immer noch stumm, auf sie zu.
Azur hielt den Atem an.
Amor stand nun vor ihr, drehte beiden Parteien jedoch seine Seiten zu. Mit ausdruckslosen Gesichtszügen warf er einen Blick über die Schulter, auf das leise stöhnende Flammenkind. Völlig in Gedanken vertieft, griff er nach der Axt und hebelte sie mit Quietschen und Kratzen aus dem gesplitterten Metall. Sofort verlor sie ihren blauen Schimmer und lag wieder als Buch in seiner Hand. Geringschätzig warf er es dem Schlichter vor die Füße. Auch das kleine Notizbuch auf dem Boden, das ihn am Kopf getroffen hatte, ließ er mit der Stiefelspitze über den Steinboden zu Azur schlittern.
Dieser atmete erleichtert auf und versuchte Neko etwas wacher zu bekommen. Dann hörte er jedoch ein, leider zu vertrautes, metallisches Klicken.
Amor streichelte seiner Geliebten über die Wunde, bis seine Handfläche sich gänzlich mit ihrem Blut überzogen hatte. Mit der anderen Hand hatte er bereits den Revolver gezogen und den Hahn gespannt. Unschlüssig rieb sein nervöser Zeigefinger über die Seite des Abzugsbügels.
Das Flammenkind murmelte benommen nur ein Wort: »Waffenstillstand«.
Amor blickte in Licentias Augen. »Ich habe auch einen Deal ...
Sie hat mich zu dir gebracht – dafür werde ich sie verschonen.
– Waffenstillstand ...«
Licentia holte jetzt mehrmals immer tiefer Luft. Ihr Körper pumpte immer mehr Zorn durch ihre Adern. Schließlich gab sie ihrem ehemaligen Geliebten einen so gewaltigen Tritt in seinen Magen, dass er lautlos nach Luft japsend in sich zusammensackte.
Doch ihm war es egal.
Er küsste noch einmal einen ihrer Füße und presste ein ersticktes »Tut ... mir leid« aus seinen Lungen.
Sie nahm keine Notiz davon.
Stattdessen harpunierte ihr bestialischer Blick wieder Azur.
»Ihr beide werdet sterben! Und zwar noch bevor der Kleinen da das letzte bisschen ihres Staubs durch die Finger rinnt! Ich wollte nicht, dass das soweit kommt, aber ihr lasst mir keine Wahl!«
Ohne den hasserfüllten Fokus zu verlieren, tastete sie mit der Hand über ihrem Kopf, bis sie das riesige Bündel Ketten fand, das sich nach oben über den Kronleuchter durch das Gewölbe verteilte.
»Was glaubt ihr, wie ich hier so lange ohne Kern überlebt habe ...?
Von wessen Energie musste ich mich die ganze Zeit über nähren?
Was glaubt ihr, was mir hier unten in zwei Jahrzehnten Gesellschaft geleistet, mich am Leben erhalten und mir die Augen geöffnet hat ...?
Ihr seid nicht die Einzigen, die mich hier unten beehrt haben!
Sie riss ein einziges Mal mit ganzer Kraft an den Ketten.
Ähnlich wie diese zuvor die Kräfte aufgenommen hatten, fuhr eine Welle an Macht vibrierend durch jedes Kettenglied. Nur gaben diese Glieder diesmal die Energien in die Gegenrichtung weiter.
Licentias Körper begann in höllischem Tempo wieder zu verfallen, bis er fast wieder jenen Zustand erreichte, in dem die Drei sie aufgefunden hatten. Nur ein heiseres Lachen blieb, das das giftige Smaragdgrün unregelmäßig aufleuchten ließ.
Dann begannen nacheinander die rostigen Kettenglieder zu klirren.
Aus einem nach dem anderen der vielen Gänge in dieses Verlies erklang das hallende Rasseln von Ketten, die schrittweise durch die Mauerringe gezogen wurden. Die Luft saugte sich bis zum Ersticken mit dem Gestank toten Blutes voll. Dumpfes Wummern erwachte und zwang dem Fackelschein seinen pulsierenden Herzschlag auf.
Klickern und Kratzen von Nägeln auf sprödem Ziegelstein flüsterte aus den Tunneln.
Dann begann die Dunkelheit darin zu atmen.
(T -43h:35m:00s)
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